Wenn die Privatsphäre im Mixer zerhäckselt wird

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Achtung: Leichte Spoiler in der Mitte des Textes.

Was ist eigentlich bei der FSK los? Eine Frage, die ich mir in den letzten Jahren einige Male gestellt habe. Das erste Mal dürfte es im Mai 2005 gewesen sein, als „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ in die Kinos kam. Ein Film mit der Einstufung „Ab 12“ und einer Finalszene, bei der dem jugendlichen Hauptcharakter drei seiner Extremitäten abgeschlagen werden. Anschließend verbrennt er langsam und unter Tränen am lebendigen Leibe, als die Flammen eines Lavasees ihn erreichen.

Zehn Jahre später ist die laxe Altersfreigabepolitik der FSK so weit, auch einem Kinofilm wie „Unknown User“ (Originaltitel: „Unfriended“) die Freigabe „Ab 12“ zu verleihen. In dem Horrorfilm steckt ein Junge seine Hand in einen Küchenmixer, so dass die zerhäckselten Einzelteile effektreich in alle Richtungen spritzen. Sollten 12-Jährige das sehen? Aber gut: Versuchen wir, der Altersfreigabe etwas Positives abzugewinnen. So kommt der inhaltliche Warnschuss, den „Unfriended“ an sein Publikum richtet, auch bei denen an, die ihn hören sollten: bei den Jugendlichen, die ihr Leben ohne Scham bei Facebook und Co. ausbreiten. Das kann ordentlich nach hinten losgehen, denn so wie das Netz der Menschheit neue Chancen eröffnet, potenziert es auch unsere negativen Seiten. Womit wir beim Filmthema angekommen wären: Mobbing im Netz.

Und die Moral von der Geschicht‘? Hänsel deine Mitmenschen nicht.

Im Film ist der Zuschauer Voyeur. Auf der Kinoleinwand beobachtet er die Oberfläche eines MacBooks, den die pubertierende Blaire benutzt, um mit ihren Freunden zu chatten. Den ganzen Film über sieht man nichts anderes als diese Bildschirmoberfläche, auf der Blaire skypet, facebookt und googlet. Allerdings wundern sich Blaire und ihre Freunde, als sich eine fremde Person ohne Profilbild in ihren Skype-Chat einschaltet. Als dann auch noch mysteriöse Drohnachrichten bei Facebook eintrudeln, ist klar: Irgendjemand will der Gruppe nichts Gutes. Denn die Clique hat eine Leiche im Keller, weswegen nun die Gruppenmitglieder eines nach dem anderen zur Leiche werden sollen. Die Vorgeschichte: Genau vor einem Jahr fand eine eskalierende Party statt, bei der sich Blaires beste Freundin Laura völlig gehen ließ. Ein demütigendes Video von Lauras Absturz findet sich tags darauf bei YouTube – ein gefundenes Fressen für die Schulkameraden, die sich im Kommentarfeld über Laura hermachen. Das Mobbingopfer hält das nicht aus und begeht wenig später Selbstmord, der ebenfalls auf einem YouTube-Video festgehalten ist.

Nun, ein Jahr später, kehrt eine Art böser Geist von Laura zurück, um sich zu rächen. Die skypenden Freunde segnen nacheinander das Zeitliche. Einer steckt seinen Kopf in den schon erwähnten Stabmixer, ein anderer erschießt sich mit einem Revolver selbst. Sie stehen offenbar unter der Kontrolle der dämonenhaften Laura. Der Zuschauer verfolgt dieses Blutbad von Blaires Bildschirmoberfläche, was den Horror im Zusammenspiel mit Computereffekten besonders intensiv macht. Und die Moral von der Geschicht‘? Hänsel deine Mitmenschen nicht. Der Film weckt Erinnerungen an den realen Selbstmord der US-Amerikanerin Amanda Todd im Jahr 2012. Die 15-Jährige wurde von der Boshaftigkeit ihrer Mitschüler in den Tod getrieben. „Unfriended“ ist deswegen ein überfälliger Film. Denn das Cybermobbing macht in diesen Tagen vielen Schülern das Leben zur Hölle: Wo früher Gemeinheiten auf die Türen der Schultoilette geschmiert wurden, sind sie heute als intime Videos weltweit auf YouTube abrufbar. Dass das Grauen im Film einen paranormalen Touch hat, nimmt der Botschaft leider ein Stück Durchschlagskraft. Denn der übernatürliche Dreh in „Unfriended“ verschleiert die allzu reale Gefahr, dass Hetze im Netz zu realer Gewalt wird

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